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Die Rijnstrangen

Besucht man die Rijnstrangen zwischen Spijk und Duiven, so erhält man ein Bild von der ursprünglichen Sumpflandschaft, wie sie hier vor der Eindeichung überall zu finden war. Geprägt wird die Landschaft von einem schmalen, ausgedehnten Rinnensystem mit offenen Gewässern, Weidengebüschen, Verlandungszonen und Röhrichtgesellschaften. Feuchtwiesen umgeben quasi schützend als Puffer diese wertvollen Strukturen.

Verantwortlich für die Entstehung des Gebietes ist der Mensch. Der Bau des Pannerden Kanals im Jahre 1707 sorgte dafür, dass der eigentliche Flusslauf zu einem Altarm degradiert wurde. Davor war der Oude Rijn ein dynamischer, verzweigter Flusslauf mit Inseln und Sandbänken. Zahlreiche Baumaßnahmen vor allem im 18. Jahrhundert sorgten Schritt für Schritt dafür, dass immer weniger Wasser in den Oude Rijn einfließen konnte. Die langsame Verlandung war nicht aufzuhalten Ein Sumpf entstand. Jedes Hochwasser hinterließ eine dicke Schlammschicht, wodurch die ursprünglichen Kies und Sandbetten zunehmend durch eine meterdicke Tonschicht überlagert wurde.

Auf diesen feuchten und nährstoffreichen Lehmböden konnte eine vollkommen neue Flusslandschaft entstehen mit flachen Gewässern, Weidengebüschen und Röhrichten. Dieses Sumpfgebiet beschränkte sich im wesentlichen auf die feuchtesten Stellen in und an den Rinnen. Die sonstigen Flächen wurden im weiteren als Wiesen und Weiden genutzt.
Endgültig unterbunden wurde die Flussdynamik im Jahre 1959, als das Pumpwerk Kandia seinen Dienst aufnahm. Fortan übernahm der Mensch vollständig die Kontrolle über die Wasserregulation im Gebiet. Ziel war die Förderung der Landwirtschaft. Naturschützer sorgten 1980 dafür, dass neben der Höchstpegelmarke auch eine Niedrigstpegelmarke eingeführt, um das Austrocknen des Gebietes zu verhindern. Insgesamt wurden die Wasserstandsschwankungen von fünf auf zwei Meter verringert und der Durchfluss auf annähernd Null gebracht, um vor Hochwassern geschützt zu sein.

Einmalige Natur

Doch insgesamt reichten die Wasserstandsschwankungen noch immer aus, um eine einmalige Natur entstehen zu lassen. Ein buntes Mosaik aus Wasserflächen mit der entsprechender Flora, Verlandungszonen, Röhrichten, Feuchtwiesen, Weidengebüschen und Hochstaudenfluren hat sich entwickelt. Gelbe Teichrose, Gemeines Hornblatt, Seekanne, Wasserschwaden und Breitblättriger Rohrkolben sind hier ebenso zuhause wie die Schlanke Segge.

An Stellen mit Quellwasseraustritt findet man Arten wie die Wasserfeder, den Teich-Schachtelhalm und den Tannenwedel. In den kleinen Stillgewässern sieht man mit viel Glück auch schon mal den Wasserschlauch und die Krebsschere. Die Hochstaudenfluren zeigen sich gerade im Frühjahr und im Sommer in einer bunten Farbenpracht. Sumpf-Wolfsmilch, Kriechender Baldrian, Blutweiderich und die Gelbe Wiesenraute wetteifern um die Gunst der Insekten. Die "obere Etage" dieses Lebensraumes bilden in erster Linie die Weiden. Mandelweide, Schmalblättrige Korbweide, Silberweiden und Bruchweiden beherrschen das Bild.
Doch das Schicksal der Rijnstrangen scheint besiegelt, die Verlandung ist unabwendbar, falls diesem Prozess nicht Einhalt geboten wird. Abgestorbene Pflanzenreste lagern sich ab, sofern sie nicht entfernt oder weggespült werden. Theoretisch ist dies die typische Situation für die Entstehung eines Niedermoores. Doch ist das Wasser in den Oude Rijnstrangen extrem nährstoffreich und flach. Zusammen mit hohen Temperaturen verläuft der Zersetzungsprozess jedoch erheblich schneller, so dass sich keine Moorschicht bilden kann.

In den Oude Rijnstrangen setzen sich zunehmend Tonpartikel ab, wodurch sich der Boden im Laufe der Zeit immer weiter anhebt. Wildkräuter sind die Vorboten einer zunehmenden Verlandung. Zuletzt folgen die Bäume, so dass der Verlandungsprozess durch Trockenheit noch beschleunigt wird.

Doch die Verlandung ist kein unabwendbarer Prozess. Die Natur sorgt für sich selbst. Hochwasser spülen Pflanzenreste fort, Eisgang und Verbiss durch Weidetiere tun ein übriges. In den Rijnstrangen wurden zudem Biber ausgesetzt, die die weichen Weiden und Pappeln kurz halten. Die Waldentwicklung wird durch die Fällaktionen des Bibers deutlich zurückgedrängt. Und auch die Graugänse betätigen sich als Landschaftsbewahrer, fressen sie doch in großen Mengen junge Triebe von Schilf und Rohrkolben.

Anthropogene Nutzungen finden zwischenzeitlich nicht mehr statt. Bis vor kurzem konnten noch Binsen, Holz und Schilf geerntet werden. Die Ruten der Korbweiden dienten bis in die jüngste Vergangenheit als Rohstoff für die Korbproduktion oder als Flechtmaterial für Zäune. Um diese traditionelle Nutzung der Sumpfflächen nicht vollständig in Vergessenheit geraten zu lassen, und um ein Stück Kulturgut zu erhalten, wird in einigen Bereichen diese Nutzung kontrolliert am Leben erhalten.

 

Große Artenvielfalt bei den Vögeln

Bekannt sind die Rijnstrangen jedoch vor allem für ihre Vogelwelt. Zahlreiche Sumpfvögel finden hier geeignete Brutplätze und ausreichend Nahrung. Viele Entenarten leben hier neben der Wiesenweihe, der Wasserralle, der Bartmeise, dem Blaukehlchen und dem Rohrschwirl. Auch seltene Vogelarten kann man hier mit etwas Glück zu Gesicht bekommen. Rohrdommel, Trauerseeschwalbe und Zwergdommel kommen hier genauso vor wie die Beutelmeise und der Drosselrohrsänger. Doch die Idylle trügt, gehen doch die Bestände einiger dieser Vogelarten auch in den Rijnstrangen zurück. Ein deutliches Zeichen dafür, dass in diesem Fall Erhalt nicht ausreichend ist. Es gilt, die Qualität aktiv zu verbessern.

Gefährdet sind viele Vogelarten zum einen aufgrund der isolierten Lage der Röhrichte und deren verhältnismäßig geringen Größe. Natürliche Bestandsschwankungen, etwa aufgrund eines besonders strengen Winters oder eines stark schwankenden Wasserstandes und ein dadurch hervorgerufener Nahrungsmangel, können hier nur schwer wieder ausgeglichen werden. Die nächsten großen Sumpfgebiete sind mehr als 100 km entfernt, so dass ein Austausch oder eine Zuwanderung nicht ohne weiteres möglich ist.

Doch auch die Bedingungen in den Winterquartieren in Afrika haben großen Einfluss auf den Bestand. Extreme Temperaturen in den Winterquartieren können dafür Sorgen, dass nur wenige Tiere den Weg zurück an den Niederrhein finden. Doch dies allein kann nicht der Grund sein, weshalb die Bestände der Rohrdommel und des Drosselrohrsänger in den Rijnstrangen dramatisch zurückgehen. Und es ist fünf vor zwölf für diese Arten. Geholfen werden kann ihnen nur, wenn ihre Lebensräume deutlich vergrößert würden. Grundsätzlich bieten die Rijnstrangen die Voraussetzung für eine Erweiterung der Sumpfflächen. Darüber hinaus müsste eine Vernetzung geschaffen werden zu anderen kleineren Sumpfgebieten im Gebiet von  etwa dem De Gelderse Poort oder dem Kranenburger Bruch.

 

Neue Sumpflandschaften schaffen

Der tonige Boden ist die Voraussetzung für die künstliche Schaffung von Sumpfgebieten. Vor allem im westlichen Teil der Rijnstrangen werden tiefer liegende Flächen erworben, um hier neue Sumpflandschaften zu schaffen.
Die Steenward ist so ein Gebiet. Vor 40 Jahren wurde hier aktiv Ton abgebaut. Im Rahmen dieser Arbeiten kam der ursprüngliche Rinnenverlauf wieder ans Tageslicht. Tümpel und Rinnen, die von reinem Quellwasser gespeist werden, erhöhen den Wert des Gebietes. Ein Sumpfwald konnte sich entwickeln, der durch den Einsatz einer Pferdeherde systematisch gepflegt worden ist. Durch Verbiss konnte sich der Sumpfwald hier nie schließen. In den offenen und sumpfigen Bereichen leben Odermennig und der Rote Zahndost. Im Wald sind zudem Rehe und Habicht, Turteltaube, Waldohreule und Pirol zu Hause.

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